In dieser Villa lebte die Familie von Albert Ursell. Der Attendorner Unternehmer war bis zu seinem Tod im Jahr 1928 Inhaber der Blechwarenfabrik A. A. Ursell.
Nach der Arisierung der Firma lebte Else Ursell mit ihrem jüngeren Sohn Herbert zunächst noch in dieser Villa an der Kölner Straße.
Der ältere Sohn Günther hatte Attendorn schon im Jahr 1937 Richtung Frankfurt verlassen. Nach der Zerstörung ihres Besitzes während des Novemberpogroms entschloss sich Else Ursell zur Auswanderung. Wegen des erheblichen Vermögens und des noch vorhandenen Grundbesitzes wurde ihr zur Abwicklung ihrer Auswanderungsangelegenheit seitens der Devisenstelle der Oberfinanzdirektion Westfalen in Münster für sich und die beiden minderjährigen Söhne ein eigener Sachbearbeiter zugewiesen.
„Es war beabsichtigt, durch Abgabe größerer Beträge an die deutsche Golddiskontbank eine wenigstens teilweise Transferierung des Gesamtkapitals zu erreichen. Die Verfolgte stand bereits mit der Dominikanischen Republik in Verhandlung wegen des Aufbaus einer Blechwarenfabrik in Mittelamerika, und es waren zu diesem Zweck bereits umfangreiche Exposes ausgearbeitet. Durch den Kriegsausbruch kam es nicht mehr zur Durchführung dieser Pläne.“
„Da Frau Ursell das Leben in Attendorn unerträglich gemacht wurde, […] hielt sie sich in der Folgezeit in Köln und München auf, ohne dass sie in diesen Städten einen neuen festen Wohnsitz begründete. Sie wohnte bei Bekannten und in jüdischen Pensionen.“
Um eine letzte Ausreisemöglichkeit zu nutzen, heiratete sie am 26.6.1940 den verwitweten Geschäftsmann Max Kaufmann aus München, der am 25.4. 1876 in Bitburg geboren worden war. Frau Else Ursell meldete sich und ihren jüngsten Sohn am 4. Juli 1940 von Attendorn nach München, Schwantaler Straße 17 ab. Die Eheleute Kaufmann / Ursell mieteten mehrere Wohnungen in München an in der Hoffnung, so mit ihren Kindern einer Denunziation entgehen zu können. Die beabsichtigte Ausreise zerschlug sich aber erneut. Max Kaufmann und seine Ehefrau Else, verwitwete Ursell, wurden am 23.07.1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Ghetto wohnten und als Zwangsarbeiter beim Straßenbau gesehen worden sein sollen. Das sei der letzte Lebensbeweis von ihnen. Beide wurden am 28.10.1942 ins KZ Auschwitz überstellt und kamen dort ums Leben.
Günther Ursell, der schon im Jahr 1937 nach Frankfurt und von dort nach München verzogen
war, wurde laut geprüfter Transportliste der Gestapo München am 15.11.1941 „nach dem Osten“
– nach Riga – evakuiert. Der genaue Todesort und das Todesdatum sind nicht bekannt.
Sein Bruder Jakob Joseph Herbert Ursell wurde am 03.04.1942 aus München „nach dem Osten“
evakuiert (eventuell KZ Majdanek). „Ursell, Herbert, geboren am 7. März 1926 in Attendorn,
Staatsangehörigkeit: deutsch, ist am 4. August 1942 im Kriegsgefangenenlager Lublin verstorben,
Häftlingsnummer 7797“.